Orgel plus Puschnig

IMPROVISATIONEN ÜBER ORGELWERKE VON Erich Urbanner, Friedrich Cerha, John Cage, Erik Satie, Gospels und Lutherische Choräle, u. v. m.

Wolfgang Puschnig Saxophon
Ludwig Lusser Orgel

 

Programm

IMPROVISATION I
Erik Satie „Dixit dominus domino meo“
(1866-1925) (2. Satz aus Messe des pauvres, 1893)

IMPROVISATION II
Erich Urbanner Improvisation I für Orgel solo (1961)
(1936)

IMPROVISATION III
Friedrich Cerha Präludien I und V (Toccatina) für Orgel (2011)
(1926) Inventionen II und VI für Orgel (2011)

IMPROVISATION IV
John Cage Souvenir for Organ (1983)
(1912-1992)

Gedanken zum Programm

Im Zentrum dieses Programms steht die Improvisation. Improvisation zwischen zwei Partnern, zwischen zwei Spielern von Blasinstrumenten, in unmittelbarer Nähe auf der Orgelempore, aber auch auf Distanz zwischen Kirchenraum und Empore. Gegliedert ist das Programm in vier Improvisationsblöcke, deren Ausgangsmaterial jeweils sehr kurze (Satie, Cerha) und etwas längere (Urbanner, Cage) Originalwerke für Orgel-Solo sind, die auch im Original erklingen.

Die erste Improvisation verwendet als „Thema“ den zweiten Satz aus der „ Messe des pauvres“ von Erik Satie. Zweiter Satz ist ein wenig erklärungsbedürftig: es handelt sich eigentlich nur um eine kurze Zeile von wenigen Noten, unterlegt mit einfachen Harmonien. Der Titel gibt aber den Hinweis auf den 109. Psalm. Dieser hat 8 Verse und mit der Doxologie sollte diese Zeile also dann zehnmal wiederholt werden. Somit handelt es sich um einen relativ langen Satz innerhalb Satie's Messe des pauvres. Dieses kurze Stück ist vielleicht die „Urquelle“ der mit vielen Wiederholungen auszuführenden äußerst kurzen Stücke von Erik Satie, von den „Vexations“ bis zum „Tango“ aus „Sports et Divertissements“. Im Laufe der Improvisation erklingt die Zeile mehrmals im Original von der Orgel, die Sopranmelodie wird vom Saxophon zu Beginn vorgestellt und im weiteren Verlauf verarbeitet, weitab entfernt von der Orgelempore im Kirchenraum.

Dem zweiten Improvisationsblock vorausgehend erklingt die Improvisation I von Erich Urbanner auf der Orgel, ein dem Gestus und der Wirkung nach frei improvisatorisches Werk, wiewohl es streng zwölftönig komponiert ist. Urbanner interpretiert die „orthodoxe“ Dodekaphonik dergestalt, dass er die Reihe linear in Originalgestalt und Krebsform mehrmals bringt, im weiteren allerdings die Reihe öfter aufgefächert in Klangbändern und Harmonien auf mehrere Stimmzüge aufgeteilt erscheinen lässt. Der Form nach umrahmt ein Präludium und ein Nachspiel (Choral) einen Mittelteil im Zentrum, im doppelten Kontrapunkt als Invention erkenntlich.

Die vielen kurzen Abschnitte gehen alle ineinander über, sind geprägt von vielerlei Kontrastwirkung und tragen so zur unmittelbar wirkenden improvisatorisch anmutenden Gesamtwirkung bei. Im Schlussakkord schließt sich die Improvisation mit Wolfgang Puschnig und Ludwig Lusser an. Urbanners Zwölftonreihe mit allen Motiven, wie harmonischen und rhythmischen Zellen, dient als Grundmaterial. Wiewohl aus zwei divergierenden Welten der Improvisationserfahrung kommend, Jazz und Kirchenmusik, ergänzen sich die beiden Improvisatoren Wolfgang Puschnig und Ludwig Lusser auf vielfältigste Weise mit ihren langjährigen Erfahrungen und ihren Instrumente. Mit großer Reaktionsfreude, „Motiv Pingpong“ und vielerlei „Überraschungen“ wird dabei ein Kaleidoskop an Farben, Klängen, Registrierungen, Rhythmen, Harmonien und Melodien, ein „concertare“ beider Instrumente bis zum innigen Zusammenspiel entwickelt. Beim dritten Improvisationsblock wird die in der Kirchenmusik viele Jahrhunderte geübte „Alternatimpraxis“ neu gedacht: zwischen den vier kurzen Miniaturen von Friedrich Cerha improvisiert Wolfgang Puschnig mit dem Saxophon solistisch, Cerha's Motive und Stimmungen weiterführend und verbindet sich am Schluss in einer gemeinsamen Improvisation mit Ludwig Lusser und der Orgel, allem Vorangegangen noch einmal nachhörend. Friedrich Cerha komponierte die zwei Hefte Orgelmusik, neun Präludien, neun Inventionen 2011 und machte so der Orgelwelt ein überraschendes Geschenk. Die ersten Orgelwerke Cerha’s verwenden zwei historisch vorbelastete Titel, haben sonst allerdings nichts von „Neoklassischem“ an sich. Vielmehr wird in 18 kurzen Sätzchen eine wunderbare Vielfalt an Miniaturen präsentiert, vollendet in Variabilität und kompositorischer Qualität. John Cage’s Orgelwerk „Souvenir“ verwendet, darin Erik Satie nicht unähnlich, intensiv das Prinzip der Wiederholung. Dreimal soll das ganze Werk gespielt werden. Auch in der Kleingliederung ergibt sich eine ausschließlich „ostinate“, auf Wiederholung basierende, Struktur.

Die fünf Teile gruppieren sich dabei um ein Mittelstück, ein Viertonmotiv, pianissimo gespielt, ein Bachzitat aus dem Choral: Es ist genug, das sich allmählich zu einem mittelstarken Crescendo entwickelt und wieder ins pianissimo zurückfällt, von vier kurzen Fortissimo Schlägen im tiefsten Pedalcluster abgeschlossen. Schon während der ersten Wiederholung des Cage'schen Werks gesellt sich Wolfgang Puschnig mit seinem Saxophon, Cage quasi kommentierend, dazu, um dann die „Souvenir“ gemeinsam mit Ludwig Lusser in einer abschließenden Improvisation, weit ab von der Orgelempore im Kirchenraum, als vierten Improvisationsblock, zu beenden

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